Prophetinnen im AT
1. Hulda
Die Prophetin Hulda
Der Name Hulda, hebräisch חֻלְדָּה chuldāh, wird meist von חֶלֶד chælæd „Lebensdauer“. Eine Frau mit Namen Hulda wird nur in 2Kön 22,14-20 und 2Chr 34,22-28 erwähnt. An beiden Stellen trägt sie den Titel „Prophetin“ (נַבִיאָה nabî’āh). Die Angaben zu ihrer Person sind minimal: Sie ist die Frau des Schallum, des Kleiderverwalters des Königs, und wohnt im zweiten Stadtteil, der Neustadt Jerusalems. Eine zentrale Rolle spielt sie in der Erzählung von der Auffindung einer Schriftrolle im Rahmen der Restaurierung des Tempels unter König Josia und den Konsequenzen, die sich aus dieser Schrift ergeben. |
Die sieben Verse der Hulda-Erzählung (2Kön 22,14-20) gehören zur Darstellung der Regierungszeit des Königs Josia (2Kön 22,1-23,30). Er herrschte in Jerusalem 641-609 v. Chr. und gab in seinem 18. Regierungsjahr den Auftrag zur Renovierung des Tempels (624 v. Chr.). Im Rahmen dieser Arbeiten wird ein Buch bzw. eine Schriftrolle gefunden, die der Hohepriester Hilkija an den Schreiber Schafan weitergibt. Dieser bringt sie dem König und liest ihm den Inhalt vor. Die Reaktion des Königs ist erstaunlich: Er zerreißt seine Kleider. Dann beauftragt er den Hohenpriester Hilkija, den Schreiber Schafan und drei weitere Männer, JHWH wegen der Worte des Buches zu befragen. Er befürchtet nämlich Gottes Zorn, weil die Worte des Gesetzes in dem Buch seit langem nicht beachtet worden sind. Damit begründet er indirekt, warum er seine Kleider als Trauer- bzw. Bußritus zerrissen hat.
Die ernannte Delegation wendet sich an die Prophetin Hulda, wohl ohne ihr die Schriftrolle vorzulegen. Auch dem Leser wird nichts über den Inhalt der Schriftrolle mitgeteilt. In prophetischer Sprachtradition, ausgewiesen durch die dreimalige Botenformel, verkündet Hulda in einem zweiteiligen Orakel den Zorn JWHWs über die Stadt und ein friedliches Begräbnis für Josia, weil er sich vor JHWH demütig verhalten habe. Ihre Antwort wird dem König überbracht, der daraufhin den Ältestenrat, die Priesterschaft, die Propheten und die Bewohner Jerusalems zusammenruft und ihnen das gefundene Werk vorlesen lässt. Die weiterreichende Konsequenz ist eine Kultreform, mit der König Josia auf die Durchsetzung des Ersten Gebots vor allem im kultischen Bereich zielt.
Bis heute trägt ein zweiteiliges, im von außen sichtbaren Teil zugemauertes Tor in der herodianischen Südmauer der Tempelumfassung den Namen Huldator. Er wird zuweilen auf das 80 m weiter östlich gelegene ganz zugemauerte Dreiertor ausgeweitet. Im Gefolge jüdischer Tradition wird der Name mit der Prophetin Hulda in Verbindung gebracht. |
Aus: http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/21598/ , von Monika Müller, (erstellt: Juni 2008)
Link zum Originaltext: hier
Abb. 1 Hulda: Israelische Briefmarke (1984)
Abb. 2 Die herodianische Mauer des Tempelbezirks und die El-Aksa-Moschee. © Deutsche Bibelgesellschaft, StuttgartAbb. 3 Die zugemauerten Huldatore: das zweiteilige westliche und das dreiteilige östliche.(© public domain; Foto: Thomas Hieke, 2010)